© Malajscy, AdobeStock

Technik

Zum Abheben:

Edelstahl Rostfrei in der Luft- und Raumfahrt

In der Luft- und Raumfahrtindustrie geht es für Werkstoffe heiß her. Absolute Zuverlässigkeit unter diesen extremen Bedingungen ist dennoch unverzichtbar. Gleichzeitig müssen Fluggeräte und zu ihrer Konstruktion eingesetzte Werkstoffe stetig steigende Anforderungen erfüllen. Neben der Forderung nach absoluter Funktionssicherheit stehen zunehmend wirtschaftliche und umweltbezogene Faktoren im Mittelpunkt der Entwicklungen. Gewichtsbedingt trägt Edelstahl Rostfrei heute nur noch rund acht Prozent zu den im Flugzeugbau eingesetzten Materialien bei. Für besonders anspruchsvolle Anwendungen ist er jedoch mit der Summe seiner spezifischen Werkstoffeigenschaften im Flugzeugbau ebenso wie bei den Ariane Trägerraketen oder im Satellitenbau auch in Zukunft sicher gesetzt.

Extreme Bedingungen wie Einsatztemperaturen bis 1.300 Grad Celsius, aggressive Medien und höchste mechanische Belastungen verlangen Werkstoffen in der Luft- und Raumfahrtindustrie viel ab. Maximale, temperaturunabhängige Festigkeit und Steifigkeit, Korrosions- und Oxidationsbeständigkeit sowie Nicht-Magnetisierbarkeit kennzeichnen die Anforderungen an Luftfahrtwerkstoffe. Zugleich haben sie ein existenzielles Gewichtsproblem, denn für einen effizienten Flugbetrieb zählt jedes Gramm. Nicht zuletzt entscheiden Preis und Verfügbarkeit über ihren Einsatz – im Vergleich mit Titan zwei wesentliche Pluspunkte für Edelstahl Rostfrei.
 

Korrosionsbeständige Stähle und Legierungen

Der 1912 entwickelte Edelstahl vom Typ 1.4301 war der erste Schritt auf dem Weg zu rost-, säure- und hitzebeständigen Werkstoffen. Durch Erhöhung des Legierungsanteils von Nickel von 8 auf 10 Prozent und Hinzulegieren von Molybdän konnte 1928 der V4A-Stahl zum Patent angemeldet werden. Er entspricht den heutigen Werkstoffnummern 1.4401, 1.4404 und 1.4571 für korrosiv und thermisch höhere Beanspruchungen. Mit der Entwicklung von Nickel-Basis-Superlegierungen stehen der Industrie seit 1940 kriech- und spannungsfeste Legierungen auch für Temperaturen über 800 Grad Celsius zur Verfügung. Sie kennzeichnen zugleich eine hohe thermomechanische Ermüdungsfestigkeit und Hochtemperatur-Korrosionsbeständigkeit. Ihr Einsatzspektrum wuchs mit den fortschreitenden technischen Möglichkeiten der Verarbeitung und den rasant steigenden Anforderungen der Luftfahrtindustrie. Ob als Triebwerksteile, Quer- oder Seitenruder des legendären Überschallflugzeugs Concorde, an Bord der Apollo 11 auf dem Weg zur Mondlandung oder als Komponenten von Flaggschiffen der heutigen Luftfahrt wie dem Airbus A380 oder der Trägerrakete Ariane 5: Seit vielen Jahrzehnten tragen korrosionsbeständige Stähle und Legierungen kontinuierlich zur technischen Verbesserung der Fluggeräte bei. Aluminium und Kunststoffcomposites eroberten zwar im Laufe der Jahre durch ihr geringes Gewicht erhebliche Marktanteile, aber Bauteile mit besonderen physikalischen Anforderungen machen sie auch weiterhin unverzichtbar. Im Bereich der korrosionsbeständigen Stähle zählen neben den klassischen Edelbaustählen für die Luftfahrt vom Typ 1.7734 auch nichtrostende martensit-aushärtende Stähle vom Typ 1.4548, martensitische Stähle Typ 1.4044, austenitische Stähle Typ 1.4546 sowie nichtmagnetisierbare Stähle, die auch bei extremer Kaltverfestigung diese Eigenschaft bewahren, zu den Sonderstählen.

Geldwerte Ökostrategie

Der Bundesverband der Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) beziffert das jährliche Passagieraufkommen auf 2,2 Milliarden Fluggäste bei einem erwarteten Wachstum von durchschnittlich fünf Prozent pro Jahr. Der harte Wettbewerb verlangt eine rigide Kosten-Nutzen-Rechnung, die alle Aufwendungen für Unterhalt, Betrieb, Wartung und Passagierkomfort bewertet. Steigende Treibstoffkosten sowie lärm- und emissionsabhängige Flughafenentgelte rücken dabei zunehmend auch umweltrelevante Kosten in den Fokus. Die in anderen Branchen geforderten Umweltbilanzen gewinnen deshalb auch in der Luftfahrt verstärkt an Bedeutung. Aspekte wie Verringerung von CO2-Ausstoß und Lärmemissionen sowie Ressourcen- und Umweltschutz bei Produktion und Betrieb werden zu wichtigen Stellschrauben für zukunftsweisende Innovationen im Luftverkehr. Die konstant hohe Produktqualität, Lebensdauer und Reproduzierbarkeit sowie nahezu hundertprozentige Wiederverwertung bei gleichbleibender Werkstoffqualität sprechen deshalb auch aus ökostrategischen Überlegungen für Edelstahl Rostfrei.

Leistungsstarke Hightech-Bauteile

Typische Anwendungsbereiche für ultrahohe Festigkeitsstähle sind Fahrwerke, Bremskomponenten, Düsennadeln und höchst beanspruchte Bauteile wie Bolzen, Halterungen, Kugellager, Schrauben oder Verschlüsse. Schmiedebauteile für Anwendungen, die maximale Zuverlässigkeit und Standzeiten erfordern, werden aus korrosionsbeständigen, über das sogenannte DESU-Verfahren (Druckelektroschlacke-Umschmelzen) hergestellten, druckaufgestickten, martensitischen Stählen mit verbesserten Zähigkeitseigenschaften und hoher Druckfestigkeit gefertigt. So behandelte Luftfahrtstähle zeichnen sich auch durch exzellente Zerspanbarkeit aus. Geschmiedete Sicherheitsbauteile aus Edelstahl finden beispielsweise im Fahrwerk einer Embraer 170 Einsatz – einem in seiner Klasse führenden modernen Regionaljet mit bis zu 110 Sitzplätzen.

Vielfältige Anwendungen finden nichtrostende Stähle in hochentwickelten Rohr- und Filtersystemen für Treibstoffe, Hydraulikflüssigkeiten, Luft oder Sauerstoff. Die in der Regel sehr komplexen Rohrsysteme bedingen anspruchsvolle Biegeprozesse, um die geforderten hochpräzisen Rohrgeometrien zu gewährleisten. Eine besondere Herausforderung für eine profitable Herstellung sind dabei die kleinen Losgrößen, die sogar für Serienteile nicht selten unter zehn Stück liegen. Die dafür notwendige Verarbeitungspräzision spricht aus Sicht der Verarbeiter eindeutig für den Einsatz von hochwertigem Edelstahl.

Aus Gewichtsgründen werden Filtersysteme für die Luft- und Raumfahrtindustrie heute in der Regel aus Kunststoff gefertigt. Bei On-board-Systemen werden aber häufig in den Filterpatronen Stützgewebe aus Edelstahl eingesetzt, um trotz der gebotenen Feinheit der Drähte die notwendige Beständigkeit gegenüber den dort herrschenden hohen Temperaturen, Abrasion und Korrosion zu sichern.

Sturmerprobte Strukturen

Die mechanischen und chemischen Eigenschaften haben hochlegierten Edelstahl auch in zentralen Triebwerksapplikationen etabliert. Ob bei der Aufhängung, als präzise verarbeitete Leitschaufeln für den Hochdruckverdichter oder als effizienter Schallschutz für die Triebwerke des A380: Hitze- und Korrosionsbeständigkeit sowie hoher Abrasionswiderstand qualifizieren nichtrostende Stähle auch hier für den Dauereinsatz. Für die sogenannten Liner – Bleche oder Metallgewebe, die zum Schallschutz direkt vorne am Triebwerk beim Lufteinlass oder in der Brennkammer selbst eingebaut werden – setzen sich verstärkt hochpräzise Edelstahlgewebe durch. Sie brechen durch ihre gewebte Struktur den Schall und verringern so seine Intensität. Die erforderliche Feinheit der Drähte mit einer Drahtstärke unter 42 μm bei gleichzeitig gegebener extremer Robustheit und Verfügbarkeit begründet den Erfolg der aus nichtrostendem Stahl gewebten Konstruktionen. Eigenschaften, die Edelstahlgewebe seit den 1980er-Jahren bereits in Windkanälen erfolgreich unter Beweis stellen. Mit bis zu 10 bar Druck oder 12.000 km/h werden dort heute Modelle wie das Hyperschallflugzeug Shefex II für wenige Millisekunden überströmt, um die Bedingungen des Wiedereintritts in die Erdatmosphäre mit elffacher Schallgeschwindigkeit zu simulieren. Verkehrsflugzeuge werden in unterschiedlichen Windkanalarten in ihrem Aerodynamik-, Aeroakustik-, Thermo- und Kryoverhalten optimiert. Extrem belastbare Strömungssiebe aus Edelstahlgewebe mit Drahtstärken ab 0,2 Millimeter, zuverlässiger Kälte- und Hitzebeständigkeit sowie Korrosionsfestigkeit entscheiden auch hier über die Effizienz der aufwändigen Tests.

Zukunftsweisende Schlüsseltechnologien

Das Anwendungsspektrum von hochlegierten Stählen in der Luft- und Raumfahrt ist so vielfältig wie die Branche selbst. Für diese Industriebereiche entwickelte Technologien finden Eingang in viele weitere Industriezweige. Als unverzichtbarer Leistungsträger in sicherheitsrelevanten Applikationen behauptet sich Edelstahl Rostfrei seit vielen Jahrzehnten. Auch auf dem Weg zu ökoeffizientem Fliegen wird der Werkstoff mit dem Warenzeichen für sachgerechte Auslegung und qualifizierte Verarbeitung einen entscheidenden Beitrag leisten. Bei Gesamtbetrachtung der Aspekte Gewicht, Performance, Verfügbarkeit und Wirtschaftlichkeit ist er der optimale Kompromiss.

 

Pressekontakt
impetus.PR
Ursula Herrling-Tusch
Charlottenburger Allee 27–29
D-52068 Aachen
Telefon: +49 (0) 241/189 25-10
Telefax: +49 (0) 241/189 25-29
E-Mail: herrling-tusch@impetus-pr.de
Internet: www.impetus-pr.de